Neue Rechtsprechung zum Kindesunterhalt – erhöhte Erwerbstätigkeit gefordert

Rückblick – Zustand vor und nach der Revision des Kindesunterhaltsrechts vom 1. Januar 2017 Gemäss revidiertem Kindesunterhaltsrecht ist …

am 5. April 2019

um 09:00 Uhr

Rückblick – Zustand vor und nach der Revision des Kindesunterhaltsrechts vom 1. Januar 2017

Gemäss revidiertem Kindesunterhaltsrecht ist nebst den direkten Kosten wie diejenigen für Nahrung, Kleidung und Wohnen des Kindes neu auch der sogenannte „Betreuungsunterhalt“ geschuldet. Dabei geht es um indirekte Kosten bzw. Opportunitätskosten, welche auf Seiten des Elternteils entstehen, der die Kinder betreut und während dieser Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass beide Elternteile die finanziellen Folgen aus dem Zeitaufwand für die Kinderbetreuung unabhängig vom Zivilstand, d.h. unabhängig davon, ob die Kindseltern miteinander verheiratet waren oder nicht, tragen. Vor der Revision des Kindesunterhalts wurden Betreuungsleistungen einzig bei verheirateten Eltern (über den ehelichen oder nachehelichen Unterhalt) abgegolten. Hierbei kam die sogenannte 10/16-Regel zur Anwendung. Danach musste der Elternteil, der die Obhut über die Kinder hatte und der bislang keiner Erwerbstätigkeit nachging, ab dem 10. Lebensjahr des jüngsten Kindes ein Arbeitspensum von 50% aufnehmen und ab dessen 16. Lebensjahr eine Vollzeitstelle.

Neues Bundesgerichtsurteil erhöht die Anforderungen an den kinderbetreuenden Elternteil

Mit Urteil vom 21. September 2018, Urteil 5A_384/2018, verwarf das Bundesgericht die 10/16-Regel. Neu soll gemäss dem sogenannten „Schulstufenmodell“ gelten, dass der hauptbetreuende Elternteil bereits ab der obligatorischen Einschulung des jüngsten Kindes, gemeint ist der Eintritt in den Kindergarten, grundsätzlich zu 50% einer Erwerbstätigkeit nachgehen soll, ab seinem Eintritt in die Sekundarstufe zu 80% und ab vollendetem 16. Altersjahr zu 100%. Wie bereits bei der 10/16-Regel handelt es sich zwar auch beim Schulstufenmodell um eine blosse Richtlinie. Jedoch erfordert eine Abweichung hiervon eine wichtige Begründung. Gemeint ist beispielsweise der Fall, in dem das Kind über die Schulstufen hinaus mehr Betreuung bedarf oder umgekehrt der Fall, in welchem es dem Elternteil zumutbar ist, bereits vor dem 4. Altersjahr des Kindes mindestens einer 50%-tigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Ausblick

Die Praxisänderung verfolgt die Grundidee, dass es dem Kindeswohl dient, wenn beide Elternteile ihre Erwerbsmöglichkeiten ausschöpfen. Sodann nimmt sie eine Anpassung an die gesellschaftliche Realität vor, denn die meisten kinderbetreuenden Elternteile sind bestrebt, sich mit Hilfe der Fremdbetreuungsangebote bereits früh wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Gleichzeitig jedoch wird die Umsetzung des Schulstufenmodells in der Praxis auch zu Schwierigkeiten führen, denn nicht jeder Arbeitgeber stellt eine Person zu 50% ein, welche zu Hause ein knapp vierjähriges Kind zu betreuen hat. Auch fehlt es vielerorts an einem ausreichenden bzw. überhaupt an einem Fremdbetreuungsangebot. Der Familienrechtsprozess ist und bleibt somit eine stetige Herausforderung.

Gerne beraten und unterstützen wir Sie hierbei.