GV-Schlendrian birgt Konkursrisiko!

Es kommt vor, dass die letzte ordentliche GV Jahre zurückliegt. Lange war unklar, was das für das Amt …

am 15. März 2022

um 13:46 Uhr

Es kommt vor, dass die letzte ordentliche GV Jahre zurückliegt. Lange war unklar, was das für das Amt des Verwaltungsrates bedeutet, wenn dessen Amtszeit eigentlich geendet hätte: Verlängerung des Amtes bis zur nächsten GV? Ende des Amtes nach Ablauf des Geschäftsjahres oder sechs Monate danach? Seit einem neuen Entscheid des Bundesgerichts besteht nun Klarheit. Und diese hat es in sich: Es kann nämlich die «Handlungsunfähigkeit» der AG bzw. ein Organisationsmangel drohen, welcher schlimmstenfalls in der Auflösung der AG enden kann.

Neuer Entscheid des Bundesgerichts
Nach dem Entscheid des Bundesgerichts vom 3. Dezember 2021 (Urteil 4A_496/2021) blieb es erstaunlich still, obwohl dieser Entscheid weitreichende Konsequenzen haben könnte (und wohl auch haben wird). Das Bundesgericht entschied nämlich, dass das Amt des Verwaltungsrates in folgenden Fällen sechs Monate nach dem letzten Geschäftsjahr seiner Amtszeit endet:

  • wenn an der GV eine Wiederwahl nicht stattfindet (weil die Wahl bewusst oder unbewusst nicht traktandiert war); oder
  • wenn eine GV gar nicht erst durchgeführt wird.

Organisationsmangel
Die Vernachlässigung der GV kann dazu führen, dass die Aktiengesellschaft (nachfolgend AG) handlungsunfähig wird. Denn die AG hat nach dem Ende der Amtszeit des Verwaltungsrates unter Umständen niemanden mehr, der für sie handeln kann; die AG befindet sich somit in einem sog. Organisationsmangel.

Handlungen trotz Ende des Amtes
Immerhin kann der Verwaltungsrat auch nach dessen Amtszeit für die AG unter Umständen immer noch gültig handeln, solange er im Handelsregister eingetragen ist. Denn gutgläubige Dritte dürfen auf den Eintrag im Handelsregister vertrauen, soweit ihnen das Ende der Amtszeit der eingetragenen Verwaltungsräte nicht positiv bekannt ist. Auch die AG, Aktionäre und Gläubiger bleiben geschützt, weil die Haftung (die sog. Verantwortlichkeit) auch für bloss faktische Organe gilt.

Evtl. keine eigene Korrekturmöglichkeit
Der Organisationsmangel lässt sich nicht immer pragmatisch beheben. Wenn die Aktien z.B. im Streubesitz sind, kann eine Universalversammlung scheitern, falls ein Aktionär nicht mitspielt. In einem solchen Fall könnte der Verwaltungsrat wohl gar nicht mehr gültig eine GV einberufen, weil er ja nicht mehr im Amt ist. Es bleibt somit kein anderer Weg als der Gang zum Richter. Damit hat man das Heft nicht mehr in den eigenen Händen.

Möglichkeiten des Richters
Das Unangenehme in einem solchen Fall ist, dass sich nicht vorhersehen lässt, wie der Richter entscheiden wird. Denn der Richter kann nach eigenem Ermessen die «erforderlichen Massnahmen» ergreifen. Er kann z.B. (i) der AG unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist ansetzen, binnen deren der fehlende Verwaltungsrat zu ernennen ist. Ausserdem kann der Richter (ii) den fehlenden Verwaltungsrat oder einen Sachwalter ernennen oder (iii) die AG auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften des Konkurses anordnen.

Evtl. ungültige Statutenbestimmung
Viele Statuten regeln, dass die Amtsdauer des Verwaltungsrates (…) Jahre beträgt und mit dem Ende der nächsten ordentlichen GV endet. Diese Regelung zielt darauf ab, die Amtsdauer stillschweigend zu verlängern, falls nach Ablauf der Amtszeit keine ordentliche GV durchgeführt wird. Eine solche Bestimmung ist nach dem erwähnten Entscheid des Bundesgerichts ungültig. Wir empfehlen deren Korrektur.

Die Lösung
Nehmen Sie es also ernst mit der GV; dies gilt umso mehr, wenn die Aktien im Besitz mehrerer Personen sind. Der Verwaltungsrat hat es in der Hand, den unter Umständen gravierenden Folgen durch die ordnungsgemässe Durchführung einer GV vorzubeugen.

Gerne unterstützen wir Sie dabei oder beantworten Ihre Fragen.