Die Übernahme eines Verwaltungsratsmandats will gut überlegt sein. Es kann nämlich passieren, dass man persönlich und mit seinem Privatvermögen haftbar wird, wenn das Mandat nicht mit der gebotenen Sorgfalt geführt wird.
1. Ausgangslage
Als Verwaltungsrat einer AG in der Schweiz tragen Sie die zentrale Verantwortung für die Leitung und Überwachung der Gesellschaft. Laut Obligationenrecht (Art. 716a OR) hat der Verwaltungsrat einige Kernaufgaben, insbesondere:
a) Oberleitung der Gesellschaft
b) Festlegung der Organisation
c) Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle und der Finanzplanung
d) Ernennung und Überwachung der Geschäftsführung (falls vorhanden)
e) Erstellung des Geschäftsberichts (Bilanz, Erfolgsrechnung, Anhang)
f) Einberufung der Generalversammlung
Diese Aufgaben sind «unübertragbar und unentziehbar», d.h. der Verwaltungsrat kann diese nicht einfach delegieren. Natürlich können für die Vorbereitung dieser Geschäfte oder Ausarbeitung der entsprechenden Dokumente andere Personen hinzugezogen werden, wie z.B. Angestellte, Treuhänder oder Anwälte, aber die Verantwortung bleibt in letzter Konsequenz beim Verwaltungsrat.
Der oberste Grundsatz ist, das Verwaltungsratsmandat mit «aller Sorgfalt» zu erfüllen und die Interessen der Gesellschaft «in guten Treuen» zu wahren (Art. 717 OR). Diese Grundsätze ernst zu nehmen und sowohl in der Organisation bis zum täglichen Ablauf korrekt umzusetzen, ist das beste Mittel, sich vor allfälliger Haftung zu schützen.
2. Was heisst das nun konkret?
2.1 Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste
Bevor Sie ein Mandat übernehmen, müssen Sie sich über die Gesellschaft informieren. Das heisst z.B., dass Sie Themen wie die finanzielle Situation, Vorhandensein und Qualität der Geschäftsbücher, hängige Rechtsstreitigkeiten oder andere potentielle Probleme abklären müssen. Stellen Sie sicher, dass sie vorab und auch später jederzeit auf alle wichtigen Informationen Zugriff haben.
2.2. Nichtwissen schützt nicht vor den Folgen
Erarbeiten Sie sich das nötige Wissen! Es gibt zahlreiche Ausbildungsangebote für (angehende) VR-Mitglieder, also nehmen Sie sich die Zeit. So versetzen Sie sich in die Lage, Risikosituationen schon von Beginn weg zu vermeiden oder wenigstens rechtzeitig zu erkennen, um dann die nötigen Schritte einzuleiten.
2.3. Organisation ist das halbe Leben
Schaffen Sie eine saubere Dokumentation! Dazu gehören z.B. Protokolle von Verwaltungsratssitzungen (auch wenn Sie einziger VR sind!) und Generalversammlung sowie schriftliche Aufträge und Weisungen für Aufgaben, die Sie delegieren (dürfen). Wichtig ist insbesondere das Führen einer ordentlichen Buchhaltung (mit oder ohne Revision) einschliesslich Lohnbuchhaltung, Sozialversicherungsabzüge und Steuererklärungen.
Halten Sie die Organisation der Gesellschaft auf dem neusten Stand und legen Sie Organisationsstruktur und Verantwortlichkeiten schriftlich nieder. Melden Sie personelle Änderungen beim Handelsregister, bei Ämtern oder bei der AHV sofort an.
Schaffen Sie sich einen Zeit- und Aufgabenplan, so dass alle Pflichten termingerecht erfüllt werden können.
2.4. Nicht auf zwei Hochzeiten tanzen
Lassen Sie sich nicht auf Interessenkonflikte ein. Geschäfte der Firma und private Dinge sind sauber zu trennen und (soweit erlaubt) zu dokumentieren. Wenn Sie VR-Mandate in verschiedenen Gesellschaften haben, dürfen diese nicht zu Loyalitätskonflikten führen. Im Zweifelsfall ist frühzeitige Offenlegung und Klärung immer besser als Heimlichkeit.
2.5. Krisen meistern
Die Finanzen der Gesellschaft müssen Sie zu jeder Zeit im Auge behalten, sowohl die Liquidität wie auch die Verschuldung (siehe Art. 725 OR). Bei Engpässen muss der Verwaltungsrat sofort Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen und bei Anzeichen von Kapitalverlust Massnahmen zur Sanierung (Art. 725a OR). Ist die Gesellschaft überschuldet muss u.U. ein Zwischenabschluss erstellt, und im schlimmsten Fall muss das Gericht benachrichtigt werden (Art. 725b OR). Zuwarten, um den Konkurs zu verzögern, ist eines der grössten Haftungsrisiken.
2.6. Vorsorgen für den Haftungsfall
Für den Fall der Fälle ist es sinnvoll, eine sog. «D&O»-Versicherung abzuschliessen (kurz für «Directors and Officers»). Diese bietet allerdings keinen Schutz bei grobfahrlässigem und vorsätzlichem Fehlverhalten, womit wir wieder bei Ziffer 2.1 landen.
3. Rekapitulation: Welches sind nun die grössten Haftungsrisiken?
Die grössten Stolperfallen sind im Allgemeinen:
a) Nicht rechtzeitige Reaktion auf Kapitalverlust oder Überschuldung
b) Nicht gemeldete bzw. nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge
c) Missachtung von steuerlichen Pflichten
d) Fehlende oder mangelhafte Buchführung, keine Jahresrechnung & Bilanz, keine Kontrolle über Liquidität
e) Interessenkonflikte oder Selbstbereicherung
Die Liste ist natürlich bei weitem nicht vollständig, und für jede Gesellschaft liegen die Schwerpunkte vielleicht anders. Aber wenn Sie Ihr VR-Mandat umsichtig und sorgfältig angehen, sind Sie auf gutem Weg, sich vor Haftung aufgrund Ihres VR-Mandats zu schützen.
4. Mache ich mich nun bei jedem schlechten Geschäft möglicherweise haftbar?
Die gute Nachricht ist: Nein, so schlimm ist es dann doch nicht. Solange Sie die nötige Sorgfalt anwenden, also z.B. eine nachvollziehbare und dokumentierte Entscheidgrundlage erstellen, werden Sie nicht haftbar für geschäftliche Entscheidungen, die sich nachträglich als schlecht herausstellen. Die entscheidende Frage ist, ob eine Pflichtverletzung vorliegt oder nicht. Die auch unter dem Stichwort «business judgment rule» bekannte Abgrenzung zwischen «schlecht gelaufen» und «Sorgfaltspflicht verletzt» ist im Einzelfall nicht trivial, und wie oben gezeigt, sind die Pflichten anspruchsvoll und zahlreich.
Haben Sie Zweifel, ob Sie alles richtig gemacht haben? Möchten Sie eine Struktur aufsetzen, um den Verwaltungsrat und die Firma besser organisiert zu führen und Risiken zu vermeiden?