Alles, was Sie über krankheitsbedingte Fehltage auf der Arbeit wissen müssen.
Wir befinden uns zurzeit wieder spürbar mitten in der Erkältungs- und Grippezeit. Dabei nimmt uns die Krankheitswelle seit der Aufhebung der Maskenpflicht gefühlt noch stärker mit. Egal, ob eine Covid-19 Infektion oder eine einfache Erkältung; arbeitsfähig sind wir in der Regel nicht. Doch was geschieht, wenn sich ein Arbeitnehmer nicht fit genug fühlt, um seiner Arbeitstätigkeit nachzugehen?
Beweispflicht des Arbeitnehmers
Wenige krankheitsbedingte Fehltage verursachen in der Regel keine Probleme mit dem Arbeitgeber. Beweispflichtig für seine Arbeitsunfähigkeit ist dabei der Arbeitnehmer und das vom ersten Krankheitstag an. In vielen Fällen muss die Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht vom ersten Tag an mit einem Arztzeugnis belegt werden. Das ergibt sich aber nicht aus dem Gesetz, sondern ist – abgesehen von einer Regelung im Arbeits- oder Gesamtarbeitsvertrag – reiner Goodwill des Arbeitgebers.
Dabei muss sich das Arztzeugnis über den Umfang (voll oder teilweise) und die Dauer einer allfälligen Arbeitsunfähigkeit aussprechen. Wenn der Arbeitnehmer nur zu 50% arbeitsunfähig geschrieben wurde, ist dies in der Regel auf ein 100% Pensum bezogen und muss bei Teilzeitarbeit entsprechend berücksichtigt werden. Die Diagnose hat in einem Arztzeugnis aber nichts zu suchen. Misstraut der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dennoch, kann er eine vertrauensärztliche Untersuchung auf eigene Kosten anordnen. Gleichwohl darf sich der Vertrauensarzt nicht über die Diagnose äussern, sondern hat lediglich über die Arbeitsfähigkeit zu befinden. Denn wie der behandelnde Arzt untersteht auch der Vertrauensarzt des Arbeitgebers der ärztlichen Schweigepflicht.
Muss der Arbeitgeber den Lohn bei Krankheit weiterhin auszahlen?
Grundsätzlich trifft den Arbeitgeber eine Lohnfortzahlungspflicht. Damit diese aber greift, müssen die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Die Lohnfortzahlungspflicht kommt nämlich u. a. nur zum Tragen, wenn das Arbeitsverhältnis für mehr als drei Monate eingegangen wurde. Bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis entsteht die Lohnfortzahlungspflicht erst ab dem vierten Monat seit Anstellungsbeginn, womit der Arbeitnehmer einen Krankheitsausfall in den ersten drei Monaten selber überbrücken muss. Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ist der Arbeitgeber demgegenüber vom ersten Tag an zur Lohnfortzahlung bei Krankheit verpflichtet.
In den meisten Fällen wird der Arbeitgeber eine Krankentaggeldversicherung für den Arbeitnehmer abgeschlossen haben. Je nach Versicherungspolice deckt die Krankentaggeldversicherung dabei das Krankheitsrisiko bereits vom ersten Arbeitstag an. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Krankentaggeldversicherungen in der Regel Karenzfristen im Falle einer Krankheit vorsehen. Entsprechend muss auch der Arbeitgeber bei einer bestehenden Krankentaggeldversicherung zumindest für die Zeit vor Ablauf der Karenzfrist selber für den Lohn aufkommen.
Zudem gilt es zu beachten, dass die Lohnfortzahlungspflicht zeitlich begrenzt ist. Das Gesetz gibt dabei nur eine Mindestdauer von drei Wochen im ersten Dienstjahr vor. Ab dem zweiten Dienstjahr ist der Lohn für eine angemessene längere Zeit zu entrichten. Bei fehlender Regelung im Arbeitsvertrag oder einem Gesamtarbeitsvertrag wenden die Gerichte je nach Kanton unterschiedliche Skalen an (Basler, Zürcher und Berner Skala). Kurzum: Je mehr Dienstjahre, umso länger die Lohnfortzahlung. Mehrere Verhinderungen während eines Dienstjahres sind derweil unabhängig von ihrer Begründung zusammenzurechnen.
Wie bereits oben erwähnt, schliesst sich der Arbeitgeber oft freiwillig oder aufgrund einer Vorschrift in einem Arbeits- bzw. Gesamtarbeitsvertrag einer Krankentaggeldversicherung an. Die Versicherung zahlt bei krankheitsbedingtem Ausfall ein Taggeld, wobei der Arbeitnehmer Anspruch auf mindestens 80% des versicherten Lohnes hat. Sind die Versicherungsleistungen geringer, hat der Arbeitgeber für die Differenz aufzukommen. Im Weiteren ist zu berücksichtigen, dass je nachdem bei einer Krankentaggeldversicherung Karenztage bestehen. Zudem ist der Arbeitnehmer aufgrund der 80%-Regel – im Gegensatz zur 100% Lohnfortzahlungspflicht durch den Arbeitgeber – bei kurzer Arbeitsunfähigkeit schlechter gestellt, wenn er krankentaggeldversichert ist. Demgegenüber steht dem Arbeitgeber bei längerem Ausfall in der Regel ein längerer Taggeld- als Lohnfortzahlungsanspruch zu.
Wer bezahlt den Lohn bei der Betreuung von kranken Kindern?
Die Kinderbetreuung ist Bestandteil der elterlichen Sorge und folglich eine gesetzliche Pflicht. Das Gesetz schreibt hierzu ausdrücklich vor, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegen Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses bezahlten Urlaub für die Betreuung des Familienmitglieds mit gesundheitlicher Beeinträchtigung zu gewähren hat. Der Urlaub ist dabei auf die erforderliche Dauer begrenzt, beträgt jedoch laut Gesetz höchstens drei Tage pro Ereignis. Die Arbeitnehmenden stehen nämlich in der Pflicht, soweit zumutbar, für die Organisation der Betreuung zu Sorgen.
Obwohl der Urlaub lediglich auf drei aufeinanderfolgende Tage begrenzt ist, kann der Urlaub dennoch darüber hinaus gewährt werden, sofern das Kind aus medizinischen Gründen weiterhin betreut werden muss und eine adäquate Ersatzlösung nicht organisiert werden kann. Jedoch ist in einem solchen Fall zu beachten, dass der Verdienstausfall unter Umständen über die Erwerbsersatzordnung geleistet wird.
Nicht jede Betreuungspflicht führt indes zu einer Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Wie so oft, kommt es auf die Umstände im Einzelfall an.
Krankheit in den Ferien und Möglichkeit der Ferienkürzung
Bei Krankheit in den Ferien verlängert sich die Feriendauer entsprechend, allerdings muss der Arbeitnehmer die Unmöglichkeit der Erholung nachweisen. Wird der Arbeitnehmer in den Ferien nur teilweise wie z.B. zu 50%-arbeitsunfähig geschrieben, besteht dennoch Anspruch auf volle Nachgewährung der Ferien. Der Grund liegt darin, dass die Ferien der Erholung dienen und eine teilweise Erholung als nicht möglich betrachtet wird.
Der Ferienanspruch darf aber ab einer bestimmten Dauer der Arbeitsverhinderung gekürzt werden. Bei verschuldeter Abwesenheit, wozu auch unbezahlter Urlaub gehört, beträgt die Schonfrist einen Monat. Entsprechend darf der Ferienanspruch erst ab einer Abwesenheit von insgesamt mehr als einem Monat während eines Dienstjahres gekürzt werden. Anders verhält es sich bei unverschuldeter Abwesenheit. Im Falle einer Grippe oder Erkältung darf erst gekürzt werden, wenn die Abwesenheit mehr als zwei Monate im Dienstjahr beträgt. Nach Abzug der Schonfrist können die Ferien dann um jeden Monat der Verhinderung zu 1/12 gekürzt werden.
Zeitlich begrenzter Kündigungsschutz
Vorab ist festzuhalten, dass eine Kündigung während eines Krankheitsfalles nicht unbedingt per se gesetzeswidrig ist. Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen, während dem der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit ganz oder teilweise an der Arbeitsleitung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab dem zweiten bis und mit fünften Dienstjahr während 90 Tagen und ab dem sechsten Dienstjahr während 180 Tagen. Gewisse GAV sehen überdies eine Sperrfrist für die Dauer des Bezugs von Taggeldern vor. Erfolgte die Kündigung vor Krankheitseintritt, ist die Kündigungsfrist aber bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird das Arbeitsverhältnis um die Dauer der Sperrfristen verlängert. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis demgegenüber während der vorgenannten Sperrfristen, ist die Kündigung nichtig und das Arbeitsverhältnis wird entsprechend weitergeführt, wie wenn die Kündigung nicht erfolgt wäre. Danach steht es dem Arbeitgeber selbst bei fortbestehender Krankheit aber grundsätzlich frei, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Ebenso greift der zeitlich begrenzte Kündigungsschutz nicht, wenn eine rein arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit besteht. Ausnahmen bestehen lediglich im Falle einer Verletzung der Fürsorgepflicht. Diese wäre u.a. gegeben, wenn der Krankheitsausfall auf gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen zurückzuführen ist.
Rückkehr an den Arbeitsplatz
In den letzten zwei Jahren hat unsere Gesellschaft aufgrund der Covid-19-Pandemie einen Wandel in der Denkweise bezüglich des sog. «Präsentismus» erfahren. Vor der Pandemie war es gesellschaftlich akzeptiert oder gar erwünscht, trotz leichtem Schnupfen zur Arbeit zu kommen. Doch mit der Pandemie und der damit gewissermassen erzwungenen Verlagerung der Arbeitstätigkeit ins Home-Office änderten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber ihre Einstellung zur Präsenzpflicht. Kommt nun ein grundsätzlich arbeitsfähiger Arbeitnehmer leicht verschnupft zur Arbeit, kann und darf der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht sowie seines Weisungsrechts den Arbeitnehmer auffordern, bei Möglichkeit im Home-Office zu arbeiten. Klarerweise ist dabei festzuhalten, dass ein kranker Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet werden kann, seiner Arbeit im Home-Office nachzugehen, wenn er offensichtlich arbeitsunfähig ist. Der Arbeitnehmer steht aber in der Pflicht, die Arbeitsunfähigkeit zu beweisen. Gelingt dem Arbeitnehmer der Beweis, ist der Arbeitgeber dennoch berechtigt, Ersatzarbeit zu fordern, wenn lediglich eine sog. arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vorliegt, d.h. die Arbeitsfähigkeit für eine andere Arbeitstätigkeit als die vertraglich vereinbarte besteht. Wie so oft kommt es aber schlussendlich auf die Umstände im Einzelfall an.
Gerne unterstützen wir Sie sowohl als Arbeitgeber als auch als Arbeitnehmer, Ihre Ansprüche abzuklären und sie durchzusetzen.