Krypto-Clawback

Seit Sommer 2022 haben fünf grosse Kryptounternehmen Konkurs angemeldet. Das Vermögen vieler Nutzer ist nun auf diesen Plattformen …

am 27. September 2023

um 15:10 Uhr

Was Nutzer mit Schweizer Wohnsitz wissen müssen

Seit Sommer 2022 haben fünf grosse Kryptounternehmen Konkurs angemeldet: Ein Hedgefonds (Three Arrows Capital), zwei Kreditgeber (Celsius und BlockFi), ein Broker (Voyager) und eine Börse (FTX). Das Vermögen vieler Nutzer ist nun auf diesen Plattformen blockiert und sie werden wahrscheinlich gezwungen sein, den Abschluss des Konkursverfahrens abzuwarten, bevor sie möglicherweise eine Auszahlung erhalten, während andere Nutzer in der Lage waren, vor dem Konkurs Abhebungen vorzunehmen. Müssen solche Nutzer mit Wohnsitz in der Schweiz nun Rückforderungsklagen – sog. „Clawback Claims“ – nach ausländischem Konkursrecht befürchten?

Clawbacks nach US Bankruptcy Code

Das US-amerikanische Konkursrecht kennt verschiedene Rückforderungsansprüche (sog. „Clawbacks“ oder „Preference Claims“); so unter anderem, wenn der Schuldner innert 90 Tagen vor Konkursanmeldung aus seinem Vermögen eine Übertragung an einen Gläubiger macht (soweit ersichtlich ist noch nicht geklärt, ob es sich bei Kryptowährungen überhaupt um Vermögen des Schuldners oder nicht vielmehr um Vermögen des Nutzers handelt).

Eine Welle von Rückforderungsklagen steht bevor

Bei FTX beispielsweise sollen die Nutzer am Vorabend der Konkursanmeldung rund 5 Milliarden US-Dollar abgezogen haben. Es ist zu erwarten, dass ein erheblicher Teil dieser Überweisungen Gegenstand von Rückforderungsklagen sein wird. Es ist daher mit einer regelrechten Welle von Rückforderungsklagen zu rechnen.

Auch Schweizer Nutzer betroffen

Können Schweizer Nutzer in den USA auf Rückübertragung eingeklagt werden? In den Nutzungsbedingungen war jeweils eine Klausel enthalten, wonach der Nutzer – natürlich nicht verhandelbar und alternativlos – der Wahl von US-Recht und einem US-Gerichtsstand zustimmte. Es ist daher damit zu rechnen, dass auch Schweizer Nutzer in den USA verklagt werden. Dabei beurteilen sich die Gültigkeit und Tragweite der Gerichtsstandsvereinbarung und Rechtswahl nach US-Recht.

Keine Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheide über Nutzer mit Schweizer Wohnsitz

Eine andere Frage ist, ob ein solcher Entscheid in der Schweiz vollstreckt werden könnte. Bis 2019 wurden ausländische Entscheide über Rückforderungsansprüche (sog. Anfechtungsansprüche) in der Schweiz nicht anerkannt und vollstreckbar erklärt. Seit 2019 ist dies zwar möglich, allerdings nur, wenn der Nutzer seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte. Mit anderen Worten: Ausländische Anfechtungsentscheide über Schweizer Nutzer sind in der Schweiz nicht vollstreckbar; solche gegen ausländische Nutzer mit Vermögen in der Schweiz demgegenüber grundsätzlich schon. Damit ist auch gesagt, dass das im Ausland belegene Vermögen von Schweizer Nutzern dem dortigen Konkursrecht untersteht.

Zwingender Gerichtsstand am Wohnsitz des Schweizer Nutzers

Da ausländische Anfechtungsentscheide somit in der Schweiz gegen Schweizer Nutzer nicht vollstreckt werden können, muss die Anfechtungsklage in der Schweiz erhoben werden. Dieser Gerichtsstand ist ausschliesslich und zwingend. Der Schweizer Nutzer kann also nicht gegen seinen Willen an einem anderen Ort belangt werden. Eine Gerichtsstandsvereinbarung vor Konkurseröffnung ist unzulässig.

Selbst bei einer vorbehaltlosen Einlassung auf das ausländische Clawback-Verfahren wäre mit grosser Wahrscheinlichkeit der ausländische Anfechtungsentscheid in der Schweiz nicht vollstreckbar. Trotzdem ist dringend zu empfehlen, im ausländischen Verfahren die Unzuständigkeit des Gerichts zu rügen, bevor zur Sache Stellung genommen wird.

Klagebefugnis

Zunächst muss der ausländische Konkursverwalter in der Schweiz ein Gesuch auf Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets stellen. Wird in der Folge in der Schweiz ein sog. Hilfskonkursverfahren durchgeführt, so ist für die Anfechtungsklage zunächst allein die schweizerische Konkursverwaltung befugt (sog. Klagelegitimation). Verzichtet sie bzw. die Gläubigergesamtheit darauf und lässt sich kein Konkursgläubiger die Klagebefugnis abtreten, so ist der ausländische Konkursverwalter oder ein von ihm ermächtigter Konkursgläubiger klagebefugt.

Wird allenfalls auf die Durchführung eines Hilfskonkursverfahrens verzichtet, so kann der ausländische Konkursverwalter – ohne den erwähnten Verzicht abwarten zu müssen – in der Schweiz klagen.

Anwendbarkeit Schweizer Rechts

Im Falle einer Klage vor einem Schweizer Gericht beurteilt sich im Hilfskonkursverfahren nach Schweizer Recht, ob sich der Schuldner (d.h. das Kryptounternehmen) in anfechtbarer Weise seines Vermögens entledigt hat. Dies gilt mit grosser Wahrscheinlichkeit auch im Falle des Verzichts auf ein Hilfskonkursverfahren. Der Wortlaut des entsprechenden Gesetzesartikels ist jedoch nicht ganz eindeutig. Nach einer Minderheitsmeinung beurteilt sich die Anfechtbarkeit bei Verzicht auf ein Hilfskonkursverfahren nach dem ausländischen Konkursrecht (d.h. z.B. der US Bankruptcy Code mit seinen Clawback-Regeln). Hier wird die Praxis Klarheit schaffen müssen.

 

Voraussichtlich keine Anfechtbarkeit nach Schweizer Recht

Die schweizerische Anfechtungsklage bezweckt die Wiederherstellung des Schuldnervermögens bzw. des Vollstreckungssubstrats. Es muss daher zuerst geklärt werden, ob es sich bei den entzogenen Vermögenswerten überhaupt um Vermögen – also Aktiven – des Kryptounternehmens handelte. Diese Frage ist soweit ersichtlich noch ungeklärt. Nur im Falle schuldnerischen Vermögens stellt sich die Frage der Anfechtbarkeit überhaupt.

Hinzu kommt, dass die anfechtbare Handlung vom Schuldner vorgenommen worden sein muss. Handlungen Dritter ohne Beteiligung des Schuldners sind nach Schweizer Recht nicht anfechtbar. Im Falle einer Anfechtungsklage liesse sich daher einwenden, dass der Bezug der Vermögenswerte eine Handlung des Nutzers und nicht des Schuldners war.

Dieser Blog-Beitrag ist keine Rechtsberatung, sondern lediglich eine unverbindliche Information. Wir helfen Ihnen gerne, Ihre Interessen im Falle einer Anfechtungsklage zu vertreten oder Ihre Situation konkret zu beurteilen.