Oberlandesgerichte Thüringen und Düsseldorf: Beurkundungen nach deutschem Recht im Kanton Basel-Stadt nach wie vor zulässig

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2022 schützt das Thüringer Oberlandgericht eine durch uns beurkundete Verschmelzung einer GmbH mit …

am 5. April 2023

um 16:37 Uhr

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2022 schützt das Thüringer Oberlandgericht eine durch uns beurkundete Verschmelzung einer GmbH mit Sitz in Jena auf eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) mit Sitz in Düsseldorf. Mit Beschluss vom 6. März 2023 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf diesen Entscheid bestätigt. Es sind dies seit Inkrafttreten des MoMiG schon der dritte und vierte Entscheid eines OLG (Oberlandesgericht), der die Auslandsbeurkundung zulässt. Erstmals wird dabei die Beurkundung im Kanton Basel-Stadt bei einem Vorgang nach Umwandlungsgesetz von einem Gericht behandelt und mit ausführlichen Begründungen zugelassen.

Das Geschäft

Beurkundet wurden im August ein Verschmelzungsvertrag, eine Niederschrift einer Gesellschafterversammlung sowie eine Niederschrift einer ausserordentlichen Hauptversammlung. Auf Basis dieser Urkunden sollte eine GmbH mit Sitz in Jena auf eine SE mit Sitz in Düsseldorf verschmolzen werden.

Das Registergericht Düsseldorf teilte schon kurz nach Eingang mit, es werde einen Eintrag verweigern, da die vorgeschriebene Form nicht gewahrt sei. Auf diese Linie schwenkte dann auch das in der Hauptsache zuständige Registergericht Jena ein, das bis zu diesem Zeitpunkt zahlreiche im Kanton Basel-Stadt beurkundete Rechtsvorgänge eingetragen hatte. Als Hauptargument für die Abweisung wurde angeführt, das Beurkundungsverfahren in Basel-Stadt sei demjenigen in Deutschland nicht gleichwertig. Eine Argumentation, die doch erstaunen musste, nachdem diese Frage eigentlich seit vielen Jahren als geklärt angesehen wurde.

Die Argumente des Beschlusses des Thüringer OLG

Gleich zu Beginn seiner Ausführungen bestätigt das Thüringer OLG, dass das deutsche Recht grundsätzlich die Vornahme eines Rechtsgeschäfts im Ausland zulässt. Dabei komme es auf die Gleichwertigkeit der Formerfüllung an. Gleichwertigkeit sei gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübe und für die Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten sei, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspreche.

Sodann wird richtigerweise festgestellt, dass in der Schweiz das Notariatswesen nicht bundesrechtlich geregelt ist. Daher seien Ausbildung, Stellung und Funktion der Notare und ihres Verfahrens für jeden Kanton gesondert zu untersuchen.

Das Notariatsrecht des Kantons Basel-Stadt wird in der Folge im Einzelnen untersucht. Ausbildung, Zulassung zum Beruf und die Rahmenbedingungen der Berufsausübung werden detailliert abgehandelt und es wird festgestellt, dass eine Notarperson im Kanton Basel-Stadt nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit einer deutschen Notarperson vergleichbare Tätigkeit ausübe.

In der Folge wird das zu beachtende Urkundsverfahren des Kantons Basel-Stadt untersucht und als gleichwertig erachtet. Ausführlich wird dargelegt, dass die Überlegungssicherungs- bzw. -Warnfunktion sowie die Beweissicherungsfunktion durch dieses Verfahren gewährleistet ist. Namentlich wird auch der Sinn und Zweck der Vorlesungspflicht detailliert erläutert. Dabei wird unter anderem darauf eingegangen, dass § 33 des Notariatsgesetzes Basel-Stadt neben der Vorlesung auch die Selbstlesung zulässt. Die Vorlesung wird als ein Essentialia der deutschen notariellen Beurkundung und als Kernstück der notariellen Beurkundungsverhandlung angesehen. Das Wahlrecht im Basler Beurkundungsgesetz schade der Funktionsäquivalenz aber nicht, sofern nur die Parteien in concreto eine Vorlesung verlangen. Da die in Frage stehende Urkunde den Vermerk enthalte, sie sei den Erschienenen vorgelesen worden, stehe ausser Frage, dass die tatsächliche Handhabung den Zweck des Vorlesenerfordernisses erfüllt habe.

Schliesslich beschäftigt sich das Thüringer OLG auch mit der Prüfungs- und Belehrungspflicht. Diese sei aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern verzichtbar. Schutzbedürftig seien nur jene formell Beteiligten, die auf die Zuverlässigkeit der Beurkundung angewiesen sind und auch tatsächlich darauf vertrauen. Bei rechtskundigen Beteiligten bestehe die Belehrungspflicht also in geringerem Umfang als bei rechtsunkundigen oder gar geschäftsunerfahrenen Personen. Von einem Verzicht sei auszugehen, wenn die Beteiligten einen ausländischen Notar aussuchen, von dem sie regelmässig genaue Kenntnis des deutschen Gesellschaftsrechts und deshalb eine umfassende Belehrung von vornherein nicht erwarten könnten. Auch bei Beurkundung einer Satzung, bei der Drittinteressenten betroffen sein könnten, gelte dasselbe. Denn der Schutzzweck des § 17 BeurkG beschränke sich auf die am Rechtsgeschäft unmittelbar Beteiligten.

Anzumerken bleibt hierzu, dass vorliegend der Notar eine Eignungsprüfung als deutscher Rechtsanwalt abgelegt hat und Mitglied der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf ist. Das Thüringer OLG weist hierauf ebenfalls hin, kommt aber zum Schluss, dass dies nicht einmal erforderlich wäre, weil solche Kenntnisse des deutschen Rechts eben verzichtbar sind.

Das Verfahren vor dem OLG Düsseldorf

Nachdem das Registergericht Jena aufgrund des Beschlusses des Thüringer OLG den Eintrag der Verschmelzung vorgenommen hatte, verweigerte das Registergericht Düsseldorf diesen freilich noch immer. Eine Beschwerde musste erneut eingereicht werden. Mit Beschluss vom 6. März 2023 hat dann auch das OLG Düsseldorf die Beurkundung im Kanton Basel-Stadt als gleichwertig anerkannt. Die auch hier ausführliche Begründung ist ähnlich.

Fazit

Nach dem OLG Düsseldorf 2011 und dem Kammergericht Berlin 2018 ist der Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichtes die bereits dritte Entscheidung eines höheren Gerichts seit Inkrafttreten des MoMiG, welche sich ausführlich mit der Gleichwertigkeit der Auslandsbeurkundung auseinandersetzt. Das OLG Düsseldorf liefert darüber hinaus zum zweiten Mal eine Bestätigung der Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung. Diesmal wird aber auch ausdrücklich ein Strukturbeschluss als zulässig erachtet. Zwar fehlt nach wie vor ein Urteil des BGH, doch hat ja auch dieser bereits 2013 hinsichtlich der Einreichung einer Gesellschafterliste entschieden, dass jedenfalls keine Gründe bestehen, um im Rahmen der Kognition des Handelsregisters von der Ungültigkeit der Auslandsbeurkundung auszugehen.

Solange sich die Parteien dieser Ausgangslage bewusst sind, gibt es also kaum noch Grund, von der Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge im Kanton Basel-Stadt von vornherein abzusehen.