Revision Verjährungsrecht

Was regelt das Verjährungsrecht? Hat ein Gläubiger gegenüber einem Schuldner eine Forderung, so ist jeweils zu prüfen, ab …

am 4. November 2019

um 20:18 Uhr

Was regelt das Verjährungsrecht?

Hat ein Gläubiger gegenüber einem Schuldner eine Forderung, so ist jeweils zu prüfen, ab welchem Zeitpunkt der Schuldner erfüllen muss bzw. ab wann der Gläubiger die Erfüllung verlangen kann. Der Zeitpunkt, in dem die Erfüllung verlangt werden kann, hängt von den jeweiligen Umständen ab und ergibt sich aus dem Gesetz oder einer Vereinbarung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner. Nun ist der Gläubiger aber nicht verpflichtet, die Forderung sofort nach Fälligkeit geltend zu machen. Stattdessen kann er auch mit der Einforderung und Durchsetzung zuwarten, sei es, weil er noch kein Interesse an der Leistung hat oder sei es, weil er allenfalls noch gar keine Kenntnis von seinem Anspruch hat. Das Gesetz sieht nun jedoch vor, dass der Gläubiger nicht auf unbestimmte Zeit mit der Durchsetzung seines Anspruches zuwarten kann. Vielmehr kann der Gläubiger nach Verstreichen einer bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Frist die Forderung nicht mehr durchsetzen: Mit Ablauf der Verjährungsfrist darf der Schuldner die Leistung verweigern.

Defizite des bestehenden Verjährungsrechts

Das geltende Privatrecht enthält keine einheitliche Ordnung der Verjährung und statuiert einjährige, zweijährige, fünfjährige und zehnjährige Verjährungsfristen.

Die allgemeinen Bestimmungen sind im dritten Teil des Obligationenrechts (Art. 127 – 142 OR) enthalten. Danach beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich zehn Jahre und beginnt mit der Fälligkeit zu laufen. Für gewisse, gesetzlich festgelegte Forderungen wie namentlich Mietzinsen, andere periodische Leistungen sowie Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Diese Bestimmungen gelten grundsätzlich für sämtliche Forderungen des Privatrechts, also auch für Tatbestände des Personen-, Familien-, Erb- und Sachenrechts, welche ausserhalb des OR geregelt sind. Ergänzend dazu wird die Verjährung für Ansprüche aus Schadenersatz oder Genugtuung aus unerlaubter Handlung (Delikts- oder Haftpflichtrecht, Art. 60 OR) sowie für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 67 OR) geregelt. Die relative Verjährung dieser Ansprüche beträgt ein Jahr ab Kenntnis des Schadens und Schädigers bzw. des Anspruchs; die absolute Verjährung tritt zehn Jahre nach der schädigenden Handlung ein.

Daneben bestehen zahlreiche Sonderbestimmungen betreffend die Verjährung, sei es im besonderen Teil des Obligationenrechts, im Zivilgesetzbuch (ZGB) oder in sonstigen Gesetzen, die von den allgemeinen Verjährungsregeln abweichen.

Damit ist das geltende Verjährungsrecht uneinheitlich und komplex, da es einerseits nach dem Rechtsgrund des Anspruchs differenziert und andererseits eine Vielzahl von Sonderregelungen enthält. Sodann ist insbesondere bei Forderungen aus Deliktsrecht die zehnjährige Verjährungsfrist aus Sicht des Geschädigten oft zu kurz, da bei gewissen Gesundheitsschädigungen die Verjährung eintreten kann, bevor die Krankheit überhaupt zu Tage getreten ist.

Das neue Verjährungsrecht

Das neue Verjährungsrecht behält die allgemeinen Verjährungsfristen der Vertragshaftung bei. Damit bleibt es dabei, dass vertragliche Forderungen im Allgemeinen nach zehn Jahren sowie bestimmte Forderungen, wie beispielsweise aus dem Arbeitsverhältnis oder für Mietzinsen, nach fünf Jahren verjähren.

Im Zentrum der Revision stehen insbesondere Neuerungen bei der Verjährung der Deliktshaftung. Dabei verfolgt das neue Verjährungsrecht das Konzept der doppelten Fristen: sämtliche Forderungen unterstehen einer relativen kurzen Frist von drei Jahren und einer absoluten Verjährungsfrist von zehn Jahren. Damit wird die kurze relative Verjährungsfrist für Forderungen aus Delikts- oder Bereicherungsrecht von einem auf drei Jahre verlängert. Daneben besteht für deliktische und vertragswidrige Personenschäden eine Höchstdauer von zwanzig Jahren. Weiter tritt eine zusätzliche Gesetzesbestimmung hinzu, welche auch für vertragliche Forderungen aus Körperverletzung oder Tötung wie im Deliktsrecht eine relative dreijährige und eine absolute zwanzigjährige Verjährungsfrist statuiert.

Neben den dargestellten Kernpunkten werden weitere Bestimmungen punktuell angepasst oder präzisiert, wie namentlich betreffend Verjährungshemmung, Verjährungsunterbrechung und Verjährungsverzicht.

Folgen des neuen Verjährungsrechts

Betreffend die Folgen des neuen Verjährungsrechts ist zu unterscheiden zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger. So wird der Gläubiger begünstigt, indem die genannten Verjährungsfristen verlängert werden, womit er zur Durchsetzung seiner Forderung mehr Zeit hat. Davon ausgenommen ist die neu dreijährige relative Verjährungsfrist für vertragswidrige Körperverletzung oder Tötung, welche wie gezeigt eine Abweichung von der generellen zehnjährigen Verjährungsfrist von vertraglichen Ansprüchen darstellt und damit bei Kenntnis zu rascherem Handeln zwingt. Dementsprechend hat der Schuldner grundsätzlich länger damit zu rechnen, dass diese Ansprüche durchgesetzt und eingefordert werden. Dies ist insbesondere bei der Verlängerung der absoluten Verjährungsfrist auf zwanzig Jahre einschneidend: Wenn jemand eine Tätigkeit ausführt, bei der jemand in seiner Gesundheit beeinträchtigt, verletzt oder getötet wird, muss er damit rechnen, für die damit verursachten Schäden innert bis zu zwanzig Jahren in Anspruch genommen zu werden. Dabei ist insbesondere an Ärzte, Spitäler oder Fabrikationsunternehmen zu denken.

Ausblick

Das neue Verjährungsrecht wird per 1. Januar 2020 in Kraft treten. Gleichzeitig werden auch weitere Gesetze, welche eine Verjährungsfrist enthalten, im Sinne der Vereinheitlichung angepasst, so namentlich einige Verjährungsfristen im besonderen Teil des Obligationenrechts, im Verantwortlichkeitsrecht oder im übrigen Zivilrecht.

Auswirkungen ergeben sich jedoch auch für Handlungen, welche vor Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts erfolgt sind. Die neuen, längeren Verjährungsfristen gelten auch für Forderungen, deren Verjährungsfrist unter altem Recht zu laufen begonnen haben, aber vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts am 1. Januar 2020 noch nicht abgelaufen sind.