Hinter dem Schlagwort «Gig Economy» verbirgt sich ein tiefgreifender Wandel in der Arbeitswelt, der auf den ersten Blick sehr bedrohlich wirkt. Doch ein zweiter Blick kann nicht schaden, meinen Sie nicht auch?
Die Schlagworte „Gig Economy“ oder „Freelance Economy“ gibt es schon länger. Sie stehen für eine Wirtschaftsform, die nicht auf das klassische Arbeitgeber-/Arbeitnehmer-Modell baut, sondern auf eine flexible Zusammenarbeit von Einzelnen oder Teams von selbständigen Spezialisten („Freelancer“), die für die Dauer eines Projekts oder Auftrags („Gig“ – ursprünglich stand dieses Wort für ein Konzert oder eine Aufführung) zusammenspannen. Häufig geschieht dies auch in der Variante, dass ein «klassisches» Unternehmen punktuell, eben projekt- oder auftragsbezogen, Spezialisten hinzuzieht. Die Grenze zur Temporärarbeit bzw. zu den traditionellen freien Berufen ist schwer zu ziehen. Auch ist die Gig Economy keine wirklich neue Erscheinung: Gerade im Bühnenbereich und im Universitätsbetrieb gibt es sie schon lange.
Mit dem Aufschwung des Home Office und dem nochmals drastisch erhöhten Anteil an digitaler Kommunikation im Geschäftsverkehr – Stichwort Videokonferenz – gewinnt die „Gig-Economy“ erneut an Aktualität – auch für Bereiche, in denen sie bisher weniger verbreitet war. Einen weiteren Schub dürfte sie durch die bereits erfolgte oder noch kommenden Entlassungswelle erhalten.
Die Gig Economy hat Licht- und Schattenseiten. Einerseits fallen die Geschäftsmodelle gewisser Fahrdienste hauptsächlich durch ihre unangenehme Nebenwirkung auf, dass sie aus Angestellten mit einem halbwegs geordneten Salär und entsprechenden Sozialleistungen angebliche „Unternehmer“ machen, die auf eigenes Risiko und ohne jede Absicherung operieren. Auf der anderen Seite ist für hochkarätige Spezialisten die Gig Economy mit der digitalen Kommunikation eine Möglichkeit, praktisch von jedem Fleck der Erde aus ihre Dienste dem bestzahlenden Auftraggeber anzubieten, und zwar praktisch weltweit. Auch die schon lange existierende Tendenz grosser Unternehmen, «nichtstrategische» Funktionen auszulagern (Outsourcing) hat nicht nur zu Entlassungen geführt, sondern auch zur Entstehung kleiner und kleinster Unternehmen, die erfolgreich spezialisierte Dienste und Funktionen anbieten.
Es können also nicht nur „digitale Nomaden“ die Gig Economy nutzen, auch viele andere Tätigkeiten eignen sich dafür. Die COVID-19-Krise hat viele von uns ins Home-Office verbannt und uns gezwungen, mit dieser Arbeitsform Erfahrungen zu sammeln. Diese Erfahrungen – negative wie positive – mögen die Überlegung angeregt haben, ob die eigene Arbeit nicht auch, oder sogar besser und freier, als selbständige Erwerbstätigkeit ausgestaltet werden könnte. Im Zuge einer Entlassungswelle kann eine solche Überlegung auch von aussen aufgezwungen werden. Wir wollen hier keinesfalls den Spruch von der «Krise als Chance» bemühen – wir halten das schlicht für einen Etikettenschwindel. Wir plädieren hingegen sehr, und gerade in einer Krise, dafür, die eigene Situation und Alternativen zu prüfen, Notfallpläne zu schmieden und den Rat von Freunden, Bekannten und Spezialisten einzuholen. Das ist ein gutes Mittel, Gefühle der Ohnmacht zu bekämpfen, und verhilft zu einer realistischeren Einschätzung der Krise.
Wenn der Schritt in die Gig Economy erwogen wird, so bedeutet dies in der Regel den Schritt vom Angestelltenverhältnis in die Selbständigkeit oder Teilselbständigkeit, und dies will gut überlegt sein. Die Geschäftsidee muss formuliert werden. Die Organisationsform muss die Geschäftsidee unterstützen. Das Budget muss stimmen.
Die Geschäftsidee soll auf den eigenen Fähigkeiten beruhen und muss so gut definiert sein, dass man sie einer beliebigen, branchenfremden Person in wenigen Sätzen erklären kann. Die Organisationsform soll die beabsichtigte Grösse (Anzahl Personen) und den Finanzbedarf (Investitionen, laufende Kosten) berücksichtigen. Daraus folgt die Wahl der angemessenen Rechtsform: Soll es ein Einzelunternehmen, eine GmbH oder AG sein? Die letzteren beiden benötigen zwar Kapital, können aber die Haftung begrenzen, falls etwas schiefgehen sollte. Allerdings ist zu beachten, dass heutzutage die Risiken für kleinste Unternehmen häufiger im Bereich der Steuern, Sozialabgaben und Buchführung liegen, da die Vorschriften und Anforderungen zahlreich und nicht kohärent sind, so dass kleine Unternehmen oft schlicht überfordert sind.
Vor allem aber muss das Budget aufgehen. Dies erfordert eine klare Sicht auf die Realitäten der Selbständigkeit und den bedeutendsten Unterschieden zur Situation als Angestellte(r): Stundenansatz ist nicht gleich Stundenlohn, der „Gig“ ist ein einmaliger, endlicher Auftrag, und nicht ein wiederkehrendes Monatssalär. Die soziale Absicherung (Stichwort: Krankheit und Unfall, Erwerbsausfall, Altersvorsorge mittels Pensionskasse etc.) liegt voll in der eigenen Verantwortung. Diese Dinge müssen mit einer erfahrenen Vertrauensperson durchgesprochen werden, bevor man sich entscheidet.
WALDMANN PETITPIERRE hat in Basel schon zahlreiche Unternehmen an den Start gebracht (sprich: gegründet) und begleitet diese später weiter. Falls Sie also prüfen wollen, ob Sie sich die Gig Economy zu Nutze machen könnten, helfen wir Ihnen dabei gerne.